On the Move

Videonale Programm zum Bonner Saisonstart

Samstag, 22. August 2015, 11-18 Uhr

 

Die Videonale Bonn feierte mit der VIDEONALE.15 im Frühjahr 2015 ihr 30-jähriges Jubiläum. Aus den über 1.000 Videowerken, die seit der Gründung des Festivals im Jahr 1984 in Bonn präsentiert wurden, präsentiert die Videonale zum Bonner 'Saisonstart' und damit zum Ende der viel bewegten Ferienzeit eine Auswahl von Videos aus den vergangenen 20 Jahren.

 

„On the Move“ zeigt in acht Videoarbeiten unterschiedliche körperliche, örtliche oder geistige Prozesse von Bewegung und Veränderung, die – entgegen der gemeinhin positiven Konnotation von „on the move“ oder „in Bewegung sein“ – diese Zustandsveränderung als Moment der Fremdbestimmung beschreiben, der sich weder die Protagonisten, noch der Betrachter entziehen kann.
Das 90-minütige Programm ist im Loop von 11:00-18:00 Uhr im Auditorium des Kunstmuseum Bonn zu sehen.

 

Der Eintritt ist frei.

 

Im Rahmen von         

 

 

PROGRAMM

 

Antti Tanttu
Solitude, 2004
4:00 min, Ton, Schwarz-Weiß [VIDEONALE.10]
Ein Mann steht auf einem von Meer umschlossenen Felsen und gibt mit zwei Fahnen Signale, die den Satz "Die freiwillig gewählte Einsamkeit ist Luxus" bilden. Dazu hört man Meeresrauschen und vereinzelt Doppelschläge einer Trommel. Diese auf den ersten Blick schlichte und eindeutige Aussage ist bei genauerer Betrachtung vielschichtig und birgt verschiedene Deutungsansätze. Es ist möglich, den Mann auf seinem Felsen tatsächlich als einen Menschen zu betrachten, der fern aller störenden Impulse von außen seine Einsamkeit genießt - der erkaufte Luxus. Ferner kann die Szene interpretiert werden als der hilflose Versuch eines Gestrandeten, auf sich aufmerksam zu machen und seiner Isolation ein Ende zu setzen - Einsamkeit wird zur Not. Eine dritte Möglichkeit ist die codierte Kommunikation in der Seefahrt - Einsamkeit wird zur Notwendigkeit. Der Satz wird dabei zum Schlüssel für die unterschiedlichen Betrachtungs- und Bewertungsweisen der an sich neutralen Handlung. Die akustischen Signale passen sich den Deutungen an. So schwankt das Meeresrauschen zwischen Kontemplation, Bedrohung und neutraler Geräuschkulisse. Die Trommelschläge assoziieren Herzschläge, Geräusche einer zuschlagenden Tür oder Schüsse. Antti Tanttu entwirft in seiner Videoarbeit ein facettenreiches Bild von Einsamkeit. [Nadia Ismail]

 

Mahdi Fleifel

Xenos, 2013
12:00 min, Ton, Farbe [VIDEONALE.15]
Krise trifft auf Krise, Flüchtlinge auf Rezession. Auf einer modernen Odyssee stranden Palästinenser in Athen. Ihre Irrfahrt hat sie aus einem Flüchtlingslager im Libanon über Syrien und die Türkei in das Griechenland der Eurokrise geführt − einen Hafen, der sich als nicht viel ruhiger als die See entpuppt. In XENOS zeigt Mahdi Fleifel, wie Krieg und Krise, Nahostkonflikt und wirtschaftliche Rezession konvergieren. Den Themen, die längst zum täglich wiederholten Standard in den Nachrichten geworden sind, gibt Fleifel ein Gesicht: Die Flucht vor Krieg und Gewalt endet an einem Ort, an dem sich nicht einmal der Diebstahl lohnt, dessen Bewohner selbst mit dem täglichen Überleben kämpfen und an dem Drogen der einzige Weg sind, den Alltag zu überstehen. Zwölf Minuten lang dokumentiert der Film Hoffnungslosigkeit, versehrte Seelen und Körper. Gegen die Gewöhnung an das Hintergrundrauschen von immer neuen Zuspitzungen und Tiefpunkten, die die Berichterstattung dominieren, setzt XENOS die Störgeräusche aufgezeichneter Telefongespräche und das Bildrauschen schummeriger Nachtaufnahmen − Zeugnisse des Alltags der Flüchtlinge. Das Scheitern eigener Träume, enttäuschte Wünsche der Familien, Drogensucht und Prostitution. Mit all dem kämpfen die Protagonisten – all dies ist in XENOS zu einem Dokument über das Aufeinandertreffen von Krisen zusammengefügt. [Jan Harms]

 

Ulu Braun

Die Flutung von Viktoria, 2004
25:00 min, Ton, Farbe [VIDEONALE.10]
Mit einer bizarren Prozession feiern die Einwohner der Viktoria-Ebene ihre Umsiedlung, denn die Vorbereitungen für die Flutung des Gebietes laufen auf vollen Touren. Eine Gruppe von Touristen durchquert mit dem Reisebus ein letztes Mal die traumhafte Weltenlandschaft, in der antike Trümmer und futuristische Gewächshäuser vom Fortschrittsglauben der menschlichen Kultur zeugen. Da kommt es zu einem Autounfall, und die Reisegruppe sitzt plötzlich ohne Aussicht auf Rettung in der Wildnis fest. Der utopische Ort Viktoria wird zum Schauplatz eines surrealen Dramas, in dem archaische Motive und moderne Lebenswelten aufeinander treffen. Dieser Gegensatz zeigt sich auch bei den Protagonisten: während der weltgewandte Reiseleiter Henkel eine Tauchexpedition in die künftige Unterwasserwelt plant, sehnt der schwermütige Reisende im gelben Anzug das Wasser als eine mögliche Rückkehr zu den Ursprüngen herbei. Die Umsetzung als Puppenfilm entrückt das bedrückende Szenario in eine spielerische, märchenhafte Atmosphäre, die von den ausdrucksstarken Gesichtern und den real bewegten Figuren getragen wird. [Stefanie Stallschus]

 

Henrik Lund Jorgensen

Friends he lost at sea, 2009
5:36 min, Ton, Farbe [VIDEONALE.13]
Die Anfangssequenz zeigt einen Mann in einem Museum. Er betrachtet nachdenklich Gemälde des dänischen Künstlers Michael Ancher, bekannt geworden für seine realistischen Porträts der Fischer vom Hafen Skagen. Plötzlich wechselt die Kamera von der Museumsszene zu der Darstellung der Gedankenwelt des Mannes. Als ob sie in seinem Gehirn implantiert wäre, zeigt die Kamera seine Vision zu zwei Gemälden Anchers, die gleichsam zum Leben erwachen. Wie ein Tableau vivant werden die Bildmotive von Wird er es um die Landspitze schaffen? (1879) und Mannschaft gerettet (1894) vorgeführt. In der Vision des Mannes tritt aber auch eine erstaunliche Differenz zu den Originalen hervor. Statt der heroischen dänischen Fischer stellt der Mann sich Menschen verschiedenster ethnischer Herkunft vor, die gebannt auf das weite Meer starren oder nach einem Schiffbruch gerettet werden. Der innere Monolog des Mannes, vermittelt durch eine weibliche Erzählstimme, offenbart sein Trauma, am falschen Ort zu sein und seine Freunde zu vermissen. Der Austausch der dänischen Fischer durch eine bunt gemischte ethnische Gruppe lässt die Freunde, die der Mann auf See verloren hat, zu einer Metapher für Flüchtlinge werden, die aufgrund von Emigration verloren gegangen sind. So motiviert Jørgensens Video zum Nachdenken über die Problematik von Flucht und Überleben, über Freundschaft und deren Verlust durch Auswanderung. [Olena Chervonik]

 

Judith Raum

Unlike the Worm in the Apple (Stan Brackhage revisited), 2005
10:40 min, Ton, Farbe [VIDEONALE.10]
Die Videoprojektion geht in ihrer Erzählstruktur zurück auf einen Film von Stan Brackhage, der mit der Kamera den Weg eines Wurms im Inneren eines Apfels nachzeichnet. Aus der Sicht des Wurms erlebt der Betrachter das Gefühl des Geborgenseins, aber auch des Ausgegrenztseins gegenüber der übrigen Welt. Durch die raumgreifende Projektion von Bildern und Klang versucht Judith Raum den Betrachter in eine vergleichbare Situation zu versetzen: Undurchdringliches Unterholz, schmale Wege, dichte Fichtenwälder, Streifzüge durch Wiesenhalme sowie Unterwasseraufnahmen bieten Assoziationen zum Vorwärtsstreben des Wurms auf unbekanntem, unvorhersehbarem Weg. In anderen Sequenzen verweist ein auf Wand und Bettpfosten beschränkter Blick in ein Zimmer auf den Lebensraum eines von der Außenwelt abgekapselten Individuums. Die Weite der Welt beschreibt Judith Raum - formal abgestimmt - durch das Treiben von Wolken und Eisschollen, durch Auf- und Untergänge von Sonne und Mond. Sie vergleicht die Spuren im Schlamm und im Schnee. Die reduzierte Bilderfolge des Videos lässt die Geräusche von Wasser, Wind oder das Knacken von Geäst deutlich hervortreten und intensiviert das visuelle Erlebnis. [Elisabeth Wynhoff]

 

Gonzalo Rodriguez

Rebeca, 2009
24 min, Ton, Farbe [VIDEONALE.13]
Wie nähern wir uns Geschehnissen an, die sich unserem Verstand entziehen? Gonzalo Rodriguez umkreist diese Frage in seinem experimentellen Kurzfilm „Rebeca“, in dem er versucht, den Tod seiner Großmutter, die 1993 beim Überqueren einer Schnellstraße starb, nachzuvollziehen. Seine Suche führt ihn zurück nach Lima in Peru, den Ort des Geschehens. Über verschiedene Gespräche mit Rebecas Kindern und ihrem Ehemann will Rodriguez sich ein Bild von seiner Großmutter und ihren Motiven machen. Aber wie jede Form der Erinnerung bleiben auch diese Befragungen unbefriedigend bruchstückhaft und subjektiv. In losen Assoziationen reihen sich Bilder und Erzählungen aneinander, ohne ein geschlossenes oder gar wahrhaftiges Bild liefern zu können. Ein Manko, das Rodriguez jedoch nicht zu verbergen sucht, sondern vielmehr durch den Einsatz von Montagetechniken und Bildcollagen verstärkt. Die Frage nach der Macht und Ohnmacht von Bild und Wort und ihrem Zusammenwirken in der filmischen Erzählung ergibt eine zweite Folie, vor deren Hintergrund Rodriguez seine autobiografische Dokumentation entwickelt, die er schließlich in dem Bewusstsein enden lässt, dass jede Erzählung immer nur eine einzige von vielen möglichen Perspektiven auf das Geschehen vermitteln kann. [Tasja Langenbach]

 

Kai Zimmer

3 Minutes in America, 1996
3:00 min, Ton, Farbe [VIDEONALE.7]
„Want ask you, wish I was going with you“ (J.Nichsolson in Easy Rider). Kai Zimmers Arbeiten, in denen es um die Analyse von Kultur und Geschichte geht, bestehen aus Found Footage, TV-Schnipseln, Dokumenten und selbst gedrehtem Material, das zu rhythmischen, oftmals hypnotischen Montagen organisiert wird.

 

Zhenchen Liu

Under Construction, 2007
09:55 min, Ton, Farbe [VIDEONALE.12]
Ein Kameraflug nimmt den Zuschauer mit auf eine Reise durch die Reste einer zerstörten Geisterstadt. Zhenchen Liu lotst ihn durch eine zweidimensionale Welt, durch glaslose Fensterrahmen, über Schuttberge, vorbei an Ruinen, entlang an toten Fassaden, scheinbar fortwährend auf der Suche nach Spuren von Leben. Alles, was noch sichtbar ist, ist nur noch Abglanz, Projektion von Vergangenem: Ein kahler Baum, ein regloser Hund, nach dem Aufhängen erstarrte Wäsche. Der Blick fällt auf eine zerstörerische, fast tierähnliche Maschine. Man vernimmt roboterhafte Stimmen. Zweimal unterbricht die Kamera ihr Vordringen und lässt Zeugen von dem berichten, was geschehen ist: von der Vertreibung aus ihren Häusern, von Gewalt und Perspektivlosigkeit. Under Construction kombiniert digital aufbereitete Fotografie mit dokumentarischem Filmmaterial. Die Kamerafahrt über die Oberfläche der Reste eines nicht mehr existenten Stadtteils von Shanghai dient Zhenchen Liu zur Sichtbarmachung unsichtbar gewordener, verschütteter Erzählstrukturen. In seiner Filmarbeit geht es um das Bewusstmachen von sozialen Umstrukturierungsmaßnahmen, die Geschichte eines Ortes wird angedeutet. Die Kamera erlaubt einen Blick auf Gegenwärtiges und Vergangenes, verwehrt aber den archäologischen Zugriff. Zuletzt wendet sich die Kamera ab, sowie nach einem stillen Blick auf die als stumme Zeugen umherstehenden Hochhäuser der Großstadt-Skyline alles in Dunkelheit getaucht wird. [Dirk Hildebrandt]
 

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